Montag, 5. September 2016

Die Ungehörigkeit des Glücks

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Dieses Buch habe ich mir eigentlich nur wegen der Autorin geschnappt. Da bin ich ehrlich. Das erste Buch von Jenny Downham war ein tolles Jugendbuch, „Bevor ich sterbe“, in dem es um ein leukämiekrankes junges Mädchen geht. Ein wirklich faszinierender Roman, sehr berührend und traurig und dennoch unglaublich lebensbejahend.

Als ich jetzt las, dass ein neues Buch der Autorin erscheint, habe ich mich sehr gefreut und gedacht, dass muss ich lesen - egal, welches Thema sie behandelt. Ich muss sagen, ich bin etwas überrascht, denn es ist kein Buch, wie ich es sonst lese.

„Die Ungehörigkeit des Glücks“ ist ein Roman über drei Familiengenerationen. Die 17-jährige Katie ist vollkommen geschockt, als sie erfährt, dass sie noch eine Großmutter hat. Das Krankenhaus ruft an und bittet Katies Mutter Caroline, die Großmutter Mary abzuholen. Caroline protestiert heftig und weigert sich zunächst, ihre Mutter bei sich aufzunehmen. Dennoch sehen sie sich gezwungen, die alte Dame bei sich aufzunehmen. Nach wenigen Tagen haben sich die Leben der drei Frauen komplett verändert. Carolines Groll auf ihre Mutter Mary wird wieder neu entfacht und Katie versucht herauszufinden, was vor vielen Jahren zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter vorgefallen ist. Aber auch ihr eigenes Leben verändert sich: zum Einen verschwindet ihre Großmutter ständig, zum Anderen schließt sie die elegante, aber stark verwirrte Frau schnell in ihr Herz. Denn die alte Dame zeigt, dass es sich lohnt für sein Glück zu kämpfen.

Jenny Downham hat ein außergewöhnliches Buch geschrieben. Die Geschichte hat ihr ganz eigenes Tempo, man wird nicht mit dramatischen oder übermäßig spannungsgeladenen Szenen konfrontiert. Man muss sich nicht durch einen Sturm kämpfen - es ist vielmehr, als ob man im lauen Frühlingswind dahin gleitet.

Drei Generationen: da versteckt sich viel Konfliktpotenzial. Alle drei haben ihre Schwierigkeiten miteinander und mit ihrem eigenen Leben und wissen nicht so recht, wie sie damit umgehen sollen. Jetzt wohnen diese drei Frauen unter einem Dach, was einem Minenfeld gleicht. Alle schleichen um einander herum, tasten sich vorsichtig heran. Als Leserin wartete ich förmlich auf den großen Knall: darauf, dass eine der Frauen ein Schritt zu weit geht, etwas Falsches sagt und alles „in die Luft fliegt“.

Katie ist eine junge Frau, die große Angst vor Zurückweisung hat und sich nicht traut, mit ihrer Mutter über ihre Pläne für die Zukunft und ihre Wünsche und Gefühle zu sprechen. Sie weiß noch nicht, wo genau sie im Leben steht und wo sie hin möchte. Ein großes Geheimnis belastet sie, aber sie kann nicht über ihren Schatten springen.

Mary, die Großmutter, ist eine würdevolle und glamouröse Dame, die immer noch frech und voller Esprit ist. Doch ihre beginnende Demenzerkrankung macht sie verwirrt und verzweifelt.

Caroline wirkt zu Beginn sehr kühl und unnachgiebig. Die Handlung wird entweder aus Katies oder aus Marys Sicht erzählt. Sodass wir Leser nur über Caroline lesen, nicht aber ihre Gedanken erfahren. Ein guter Schachzug, so werden die Puzzlestückchen der Geschichte erst nach und nach zusammengesetzt.

„Die Ungehörigkeit des Glücks“ ist kein Roman, der atemlos macht und vor Spannung beinahe platzt. Vielmehr ist es ein feinfühliger und ruhiger Roman, der seinen Charakteren Zeit gibt, sich zu entwickeln. Die Balance, als Mutter zwischen der persönlichen Freiheit und dem Bedürfnis und Zwang, seinem Kind ein gutes und sicheres Zuhause zu schaffen, ist wirklich ein Drahtseilakt und eine der zentralen Aussagen in diesem Buch. Was genau macht eine gute Mutter eigentlich aus? Und wer bestimmt, dass das so ist? Und die Autorin geht der Frage nach, was „Glück“ eigentlich ist: muss das Glück einer Mutter auch das ihrer Tochter sein? Oder hat „Glück“ nicht für jeden eine andere Bedeutung?


3,5 Bücher


Bibliographische Angaben: 
Jenny Downham
Die Ungehörigkeit des Glücks
Aus dem Englischen von Astrid Arz
C. Bertelsmann
€ 19,99
9783570102923

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